"Wir haben den Handel in Andernach
belebt, doch die Bürger nehmen die
Galerie noch nicht wirklich an... Die
Laufkundschaft ist zu gering, das
habe ich nicht erwartet... Der Trend
wird sich langfristig umkehren, doch
es wird ein sehr zäher Prozess."
Das ehemalige Stadthaus und die Mälzerei Düsterwald und Tillmann (Foto oben) wurden 1977
für den Neubau des Horten-Kaufhauses abgerissen. Das Stadthaus, dem die jetzt eröffnete Galerie
ihren Namen verdankt, entstand 1841/42. Es beherbergte bis 1931 das Stiftsgymnasium, den
Vorläufer des Kurfürst-Salentin-Gymnasiums. Sein Architekt war vermutlich Johann von Lassaulx,
der Begründer der rheinischen Neuromanik (er plante Kirchen, Rathäuser und den "modernen"
Königsstuhl in Rhens). Leider stand das Bauwerk nicht unter Denkmalschutz.
Das Horten-Kaufhaus (Foto unten) wurde 1979 eröffnet. In den 1990er-Jahren übernahm
Rupprecht das Warenhaus, musste aber wegen Insolvenz seiner Muttergesellschaft 2002 aufgeben.
Der Umbau des Gebäudes durch die Heine Bau AG aus Oberhausen - sie machte inzwischen
pleite, gehört jetzt zum österreichischen Porr-Konzern - zauberte die Stadthausgalerie hervor.
Fotos: Stadtmuseum
Heißt von Wuppertal lernen...
...von Wuppertal siegen lernen?!
Es fragt sich jedoch, ob unsere Fußgängerzonen und überdachten Fußgängerzonen, sprich: Shopping-
Center, so attraktiv sind wie ihre Pendants etwa in England oder Frankreich - Zweifel daran sind
angebracht. Wir Deutsche, von Ideologen verhunzt statt von Aristokraten verfeinert, performen schlecht*,
das trifft auch auf die Architektur und die Architektur unserer Einkaufstempel zu. Das Desaster des
Städtebaus** in Westdeutschland nach 1945 (autogerecht, entmischt, kaputtsaniert), die Betonsärge der
Warenhäuser, die immergleichen Konzepte der Einkaufszentren bezeugen dies. Das wegweisende Kon-
zept des CentrO in Oberhausen stammt von britischen Experten. Auch der Umbau des Berliner KaDeWe
liegt in der Hand ausländischer Architekten, des O.M.A von Rem Koolhaas - offenbar sind wir nicht auf
der Höhe der Zeit, was Trends des Event-Shoppings und moderner Retail-Architektur angeht. Shopping-
Center müssen Freizeit- und Unterhaltungsstätten werden, was auch Ziel des von einem Briten geleiteten
Umbaus der Potsdamer Platz Arkaden in Berlin ist. Dort will der US-Spielzeughersteller Mattel eine
Erlebniswelt für Groß und Klein ("Mission Play!") eröffnen - die Hauptstadt darf sich freuen!


© schwebebahn.de
"Kruzitürken, gibt's für Dinos
denn kein Altersheim?"
Schäm' dich, Kunde!
*) Normalerweise erhöht sich die Rentabilität eines Einkaufszentrums mit der Zahl der Läden - doch bei der
Stadthausgalerie ist eher das Gegenteil der Fall. Die Kleinheit der Shopping-Mall wollte der Entwickler durch
eine zu große Zahl von (kleinen) Geschäften kompensieren, die aber kaum überleben können, wenn die
Besucherfrequenz nicht stimmt.
Stümperei trotz Wasserwand -
auf dem runderneuerten Dresdner
Postplatz geht alles andere als die
Post ab (s. unten). In einer der
ehedem schönsten deutschen Städte
fällt die aktuell grassierende städte-
bauliche Impotenz besonders auf.
"Frankfurt liegt am Mainesstrand,
am Rheinesstrand liegt Wesel. Zum
Bessermachen gehört Verstand,
kritisieren kann jeder Esel."
"Mall-Jahre sind Hundejahre." Der Andernacher Autor David Wagner
Die "grüne Wiese" mit ihrem überlegenen Platzangebot und der 24/7 geöffnete Onlinehandel nehmen
den innerstädtischen Handel von zwei Seiten in die Zange. Daher drohen neu erbaute Einkaufsquartiere
in der Stadtmitte so überholt zu sein wie es im Festungsbau zu Anfang des 19. Jahrhunderts die neue
Festung Ehrenbreitstein war. Mehr Gastronomie statt Handel dürfte keine Lösung sein; das macht die
Läden nicht attraktiver. Der Verkauf an Sonntagen ist durch die Ladenöffnungsgesetze strikt begrenzt.
lichen Ausweg: Sie verbinden stationären Handel und E-Commerce miteinander (Multichannel-Vertrieb).
Erfolgversprechend ist auch das Überbauen von Supermärkten mit Wohnungen, wie es zunehmend in
Großstädten geschieht.
Vor allem in wenig prosperierenden Städten weichen Menschen auf den billigeren Onlinehandel aus; die
kleinen Läden ohne Internetpräsenz - immer noch die meisten - machen dicht, die Innenstädte veröden.
Stark sind die Innenstädte da, wo der Arbeitsmarkt stark ist. Wem es gut geht, der tut sich auch was Gutes.
Der shoppt auch um der Atmosphäre, der Events, der Kommunikation willen. E-Commerce hat kein Flair,
nur rund um die Uhr geöffnet. Unsere Lebenslust will sich nicht mit digitaler Convenience begnügen, wir
wollen nicht zu Datenspuren im Netz verkümmern. Nach wie vor gilt: Am farbigen Pixel-Abglanz haben
wir nicht das Leben. Das Leben findet in der Beletage statt, das Internet in einem Blue-Light-Verlies, in
einer Platonschen Höhle ohne Ausgang und ohne Schatten. In ihr sind nur Gamer glücklich, die wissen:
Unsere Maulwurf-Existenz ist bloß ein Spiel. Sozial sein heißt am Leben sein, digital sein heißt hinter
dem Leben her sein.




Der Projektentwickler Rainer Molitor
in einer ersten Bilanz sechs Monate
nach der Eröffnung
An dieser Giebelinschrift eines
Fachwerkhauses in Frankfurts neuer
Altstadt - erbaut auf Wunsch von
Chinas aufstrebender Mittelschicht -
ist was dran, o ja. Wer nur kritisiert,
bleibt unter seinen (eingebildeten)
Möglichkeiten.
Grau ist das Netz, farbig das Leben: Barbie kommt an den Potsdamer Platz. © Artist Concept Rendering
Oberbürgermeister Achim
Hütten reitet gern vorneweg.
*) Die Unfähigkeit zu performen gehört fast schon zur deutschen DNA. Beispiele: Londons Hochhäuser
tragen von der Bevölkerung verliehene Spitznamen ("Gherkin", "Walkie-Talkie", "Cheesegrater"), Frankfurts
Hochhäuser nicht. Oder: Das "German Gymnasium" in London - ein Restaurant mit deutscher Küche -
begeistert die Londoner, aber nicht wegen der Küche, sondern wegen der Architektur (die von einem Eng-
länder stammt). Oder: Deutsche Orte müssen nicht befürchten, von Instagramern überrannt zu werden
(was ja auch sein Gutes hat). Oder: Clint Eastwood begann seine Karriere im Italowestern, Lex Barker begrub
die seine im Krautwestern. Oder: Deutschlands reichste Stadt, Wolfsburg, zeigt nur, wie reich sie an Park-
plätzen ist (Vorschläge für einen Relaunch der VW-Stadt siehe hier). Oder: Nirgendwo gibt es weniger
Wohnhäuser mit Ausluchten und mehr Männer, die Pullover tragen. Oder: Der Deutschen liebster Krimi,
der "Tatort", ist noch langweiliger als Kachelnzählen im städtischen Hallenbad. Und das Martinshorn klingt
auch doof - wie ein akustischer Gruß aus Lummerland. Am besten performen noch Waltraud und Mariechen,
die - keineswegs altfränkischen - Hotties aus dem Frankenland!
**) Die Probleme von uns Heutigen mit dem Städtebau illustriert die Neugestaltung des Postplatzes
in Dresden nach einem Konzept, das bereits 1991, als die Verwaltung noch in den Kinderschuhen steckte,
siegreich aus einem Ideenwettbewerb hervorging. An diesem Vorschlag eines Professors für Stadtplanung und
gebürtigen Dresdners hält die sächsische Landeshauptstadt seitdem eisern fest. Resultat: Der Platz ist nicht
erlebbar - wo er geschlossen sein müsste, ist er offen (die Lücke zwischen Theater und Zwingerforum), wo
er offen sein müsste, ist er verbaut (durch den in den Platz ragenden Kopfbau des Zwingerforums). Weitere
Europaviertel, dessen Magistrale auf den bezeichnenden Spitznamen "Stalin-Allee" hört. Auch die Äppelwoi-
Stadtverwaldung statt Stadtverschönerung: Europas größte Grünfassade in Düsseldorf © Centrum Gruppe
Zum Schluss zwei Zitate, die David Wagner (s. o.) offenbar bestätigen und den Mietern der Stadthausgalerie
nicht gefallen dürften: "Das klassische Shopping-Center von einst (sic!) verliert zunehmend an Attraktivität", schreibt
die Immobilien Zeitung, und: "Ich glaube, das Kaufhaus erlebt eine Renaissance", verkündet Timo Herzberg, der
er die bestehenden Karstadt- und Kaufhof-Filialen vor die Wand fährt). Tatsächlich war der Erlebnisfaktor der
besten Warenhäuser mit ihrem Versprechen, "auf sechs Etagen alle Schätze der Erde zu finden" - so die FAZ
zum 100. Geburtstag des KaDeWe -,immer größer als der von Shopping-Centern mit ihrer Aneinander-
reihung separierter kleiner Shops. Vermochten jene noch als "Enzyklopädien der Warenwelt" zu überwältigen,
so entzaubern diese die Warenwelt, indem sie sie nur im Häppchenformat servieren. Muss sich also Andernach
auf die Rückkehr von Horten gefasst machen? Läuft Geschichte doch schleifenförmig ab statt linear? Wird das
'Zurück in die Zukunft' zum Mantra des 21. Jahrhunderts? (Die Schlaghose! Die Vinylplatte! Die neuen "Alt-
städte" von Dresden und Frankfurt! Und E. T. kehrt zurück, der potthässliche Alien mit reinem Herzen, der
in Kindsköpfen jeden Alters Beschützerinstinkte weckt!)


Klappt´s diesmal mit
dem Telefonieren,
Schnuckelchen?
Good looking sells!
"Klar ist, dass es in der Immobilien-
wirtschaft noch zu wenig Objekte gibt,
welche sich als Projektionsfläche für
Social Media eignen. Visibility wird
zur Pflicht im Branding und Naming -
wertsteigernde Effekte inklusive. Denn
Insta-Jünger von heute können Nutzer
von morgen sein." Resümee einer
Studie von Catella Research zum
Immobilien-Echo auf Instagram
© 2009-2023 Wolfgang Broemser



Das besprochene Unvermögen kommt besonders prominent in den Boa-constrictor-breiten Straßen
zum Ausdruck, die Deutschlands Städte wie Autobahnen durchpflügen: "Eigentlich müssten sie Rückgrate der
Stadtentwicklung sein. Oft sind sie aber nur breite Schneisen durch die Stadt, wo die Bebauung links und rechts
eher zufällig entstanden ist" (Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing). Diese Verkehrswege - Wege nur
für den Verkehr - markieren eine peinliche Unbedarftheit, verglichen mit den Magistralen spanischer oder
französischer Metropolen, die nicht ein Schlag ins Gesicht der Städte, sondern ein fester Bestandteil des
Gesichtes sind - Schmuck statt Schneise, Booster statt Gap. Die Champs Elysées, der Paseo de la Castellana,
um die Paradebeispiele zu nennen, sind zwar verkehrsdurchtost, aber mehr als nur ein Verkehrsraum. Sie sind
ein in die Stadt integriertes Gesamtkunstwerk, das geliebt und daher auch zukunftssicher gemacht wird -
wie die Gran Vía in Madrid, von deren sechs Spuren künftig zwei für Busse und Taxis und zwei für Fahrräder
reserviert sind. Die Straße wird aber mitnichten in eine Fußgängerzone umgewandelt - ein Schicksal, das






"Muss ich in meinem Alter noch so rennen..."
Stadtbaugene, im
Sechserpack billiger
Sieben Jahre stand das ehemalige Kaufhaus Rupprecht im Herzen der Altstadt leer. Dann
schlug ein Projektentwickler der Stadt die Umwandlung des Gebäudes in ein modernes
Shopping-Center(chen) vor. Ziel war die Wiederbelebung des Zentrums - das Herz sollte
wieder schlagen, die Kassen wieder klingeln, nach Möglichkeit in allen Geschäften der
Innenstadt. Eine Investorengemeinschaft unter Leitung des Generalunternehmers steckte
zwölf Millionen Euro in die Revitalisierung. Nach einjährigem Umbau wurde die neue
Stadthausgalerie eröffnet - für manche Andernacher, die jahrelang die Wiederbelebung
der innerstädtischen Brache herbeigesehnt hatten, ein Gefühl, als fielen Weihnachten und
Ostern zusammen.
Kleine Stadt ganz (gerne-)groß
Die von einem Düsseldorfer Architektenbüro entworfene Passage verpasste der Altstadt
ein Facelifting der Extraklasse. Das Gebäude des ehemaligen Warenhauses wurde entkernt,
die Rohbausubstanz an die neue Nutzung als Einkaufszentrum angepasst. Eine lichtdurch-
flutete Mall verbindet nun Hochstraße und Hügelchen miteinander und zaubert Großstadt-
Feeling in die 30.000-Einwohner-Stadt. Zwölf Läden teilen sich eine Verkaufsfläche von
gerade einmal 4.600 Quadratmetern. In das Obergeschoss der Galerie zogen ein Mehr-
generationenhaus/Haus der Familie, die Volkshochschule, das Sozialamt und die städti-
sche Wirtschaftsförderung ein.
Der ansässige Handel spekulierte...
Für den Oberbürgermeister markierte das Center einen Meilenstein in der Handelsge-
schichte der Stadt: "Andernach ist als Mittelzentrum Vorreiter einer Entwicklung, die heißt:
zurück in die Zentren, die Musik spielt wieder in der Mitte!", sagte er frohlockend bei der
Eröffnung. Der einheimische Handel hatte vor dem neuen Schwergewicht in seiner Mitte
keine Angst - man wollte von der Mall wie von einer Lokomotive gezogen werden. Die
Galerie werde die Altstadt konkurrenzfähiger gegenüber der "grünen Wiese" machen,
versicherte der Leiter der Händlergemeinschaft. Die neue Konkurrenz des Onlinehandels
erwähnte er nicht. Es beschlich einen der Eindruck, als steckten die Händler den Kopf in
den Sand und als wollten sie von einem neuen (vermeintlichen) Kundenmagneten profi-
tieren, ohne sich selbst über Gebühr anstrengen zu müssen.
...doch der "Frequenzbringer" bringt es nicht
Inzwischen aber ist längst Ernüchterung eingekehrt. Die Mini-Mall zieht die Kunden keines-
wegs magnetisch an - voll war's nur bei der Eröffnung -, sie belebt den innerstädtischen
Handel nicht und hilft daher keinen Leerstand zu reduzieren. "Architektonisch hui,
konzeptionell pfui" ließe sich das Malheur vielleicht umschreiben. Denn das Sortiment
schließt keine Lücken, sondern verdoppelt und verdreifacht nur das im Stadtzentrum schon
Vorhandene (Boutiquen, Frisör, Optiker). In die kleine Galerie wurden schlicht zu viele
Läden gepresst, die nur kleinflächigen Handel aufnehmen können, wie er in der engen,
mittelalterlichen Altstadt schon existiert. Daraus erklärt sich die einseitige Mieterstruktur
des Shopping-Centers (Fashion und Lifestyle). Die Konzentration auf Bekleidung ist auch
deshalb problematisch, weil der Onlinehandel gerade in diesem Segment boomt. Stimmt
aber der Branchenmix nicht, kann man nicht der ausbleibenden Kundschaft den schwarzen
Peter zuschieben.
Mauerblümchen statt Magnet
Was man schmerzlich vermisst, ist ein Lebensmittelmarkt - doch der benötigt Platz. Den
hätte man schaffen können, wenn man die Zahl der Läden begrenzt* hätte: Rewe oder Lidl
als Ankermieter, C&A, Drogerie, Bäckerei, Restaurant - diese Kombination von Fashion
Mall und Nahversorgungszentrum hätte für die erwünschte Reurbanisierung viel mehr getan
und wäre auch - wegen der Fokussierung auf Artikel des täglichen Bedarfs - gegenüber
dem Onlinebereich konkurrenzfähig. Stattdessen hat sich am Hügelchen ein Mauerblümchen
entwickelt, das allein durch die Zahlungen der städtischen Mieter im Obergeschoss vor
dem Absaufen bewahrt wird. Die Stadt bzw. der Steuerzahler alimentiert gleichsam einen
Einzelhandels-Zombie im Herzen der Stadt, obwohl dieser als Herzschrittmacher versagt.
Die Bäckerjungen als
Lebensretter?!
"Ich bin nicht Kaa, ich
bin nur ´ne Autobahn."
lische Stadt kann das besser, wie etwa der City Park in Bradford zeigt.
Mut- und Phantasielosigkeit prägen ebenso die neue Europacity am Berliner Hauptbahnhof - die Monotonie
der Nutzungen und Fassaden, der Flächenfraß durch zu niedrige Bebauung, die Aufenthaltsqualität eines
P+R-Parkplatzes und die schlechte ÖPNV-Anbindung zeigen, welch' städtebauliche Jahrhundertchance hier
vertan wurde. Der neue Stadtteil spiegelt die Selbstverzwergung einer Senatsbaudirektorin wider, die nur
moderieren, aber kein eigenes Statement liefern will, weil sie die politisch dauererregte, jeden Abweichler mit
Mobbing überziehende Öffentlichkeit der Hauptstadt fürchtet. Das lähmt die Kreativität, an der es anderswo
wohl nur aufgrund von gedanklicher Trägheit gebricht. Die mangelnde Inspiration von Bürgermeistern und
Stadtplanungschefs in vielen Kommunen wirkt sich, und das ist bedenklich, auch auf das Denken der Stadt
von morgen aus - an diesem fehlt es bei uns offenbar, verglichen mit anderen europäischen Ländern.
Großstadtluft schnuppern oder: Die Musik spielt wieder in der Mitte (Teil 1)
Was passiert mit einem darbenden
Einkaufszentrum? Es wird an die
Stadt vertickt, in der es steht.
Immerhin war der Preis für die
Stadthausgalerie günstig, heißt es
aus dem Rathaus. Andernach als
unverhoffter Einzelhandelsinvestor
zahlt jetzt selbst keine Miete mehr,
kassiert stattdessen Miete von den
verbliebenen Händlern. Und will
zum Zweck der kardiopulmonalen
Wiederbelebung Unternehmen aus
der Region statt Filialisten in das
Objekt locken. Mit Erfolg: Ein vor-
her in der Bahnhofstraße ansässiges
Sanitätshaus und ein Concept Store
für Baby- und Kinderartikel sind
inzwischen eingezogen. Außerdem
plant die Stadt Pop-up-Stores für
Kreative, junge Gründer und eine
konsumfreie Begegnungsstätte für
Jugendliche. Allerdings sorgt das
nur für kurzfristige Einnahmen,
muss sich immer wieder um neue
Mieter bemüht werden. Auch war-
nen etwa die Freien Wähler vor
zusätzlichen Kosten, vor allem was
Auflagen für energetische Sanierung
betrifft...
Spanier und Franzosen haben das Städtebau-Gen - und Deutsche haben es eher nicht. Ein letztes
Beispiel: das kürzlich fertiggestellte Einkaufszentrum KII im Zentrum von Düsseldorf, das unter einem Wald
von Hainbuchen begraben liegt (während der Platz dahinter für Skateboarder versiegelt wurde). Hier über-
mannt die "gute" Natur die "böse" Stadt, wird Architektur an exponierter Stelle im städtischen Raum von
ökologischem Fundamentalismus erdolcht. Dass der Name der Handelsimmobilie mit dem zweithöchsten Berg
der Welt, dem K 2, kokettiert, ist ein Witz - handelt es sich doch hier um keinen städtebaulichen Gipfel-,
sondern Tiefpunkt! In dieser Stadt haben höchstens die Wagenbauer für den Karneval K 2-Niveau. Grünes
Bauen muss Fassaden nicht entstellen oder Architektur zum Verschwinden bringen, wie der Bosco Verticale
in Mailand oder das Arboretum in Paris, der weltweit größte Bürocampus aus Holz, zeigen. Oder wie es die
politisch sabotierten Entwürfe eines Christoph Langhof gern zeigen würden, die Schubladen-Schönheiten
bleiben, weil sie Öko-Moral und Mut zum architektonischen Experiment miteinander verbinden. Green
Building ist klasse, aber nicht, wenn es auf Kosten des Building geht. Das Gute und das Schöne, Ökologie
und Ästhetik, müssen sich auf Augenhöhe begegnen. Das Eine bewahrt den Menschen, das Andere lässt
ihn lieben.