Andernach tut alles Mögliche - und Unmögliche

Auf anderen Konkurrenzfeldern, wie Wirtschaft und Tourismus, wo die Stadt selbst handeln
muss, ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Wunsch der Verwaltung, Käuferströme nach
Andernach zurückzulenken, führte dazu, dass sich Fachmarktzentren mit zu viel innenstadt-
typischem Sortiment an der Koblenzer Straße breitmachen konnten. Das schwächte den
Handel in der Altstadt, der jetzt durch die Stadthausgalerie gewaltsam reanimiert werden 
soll.

Die ehrgeizige Vermarktung des Namedyer Geysirs bescherte den Andernachern beträcht-
liche Schifffahrtskosten und ein millionenschweres Erlebniszentrum, das im schlimmsten Fall
ein dauerhafter Zuschussbetrieb sein wird. Im ersten Betriebsjahr - es umfasste noch keine
volle Saison - schloss die Geysir-Gesellschaft der Stadt mit einem Minus von 229.000 Euro.
Im Jahr darauf reduzierte sich der Fehlbetrag auf 113.000 Euro; auch in den Folgejahren   
blieb es bei Verlusten. Ziel muss ein kostenneutraler Betrieb sein, fordern nicht nur die
Stadtratsmitglieder unisono.*
Gründerzeit für Cafés      
Mensa-Blog I
Ja, gibt´s denn das?! Weil die
Mensakost "zu schlecht" ist, haben
Andernacher Schüler laut der Rhein-
Zeitung ihr eigenes Café gegründet.
Merke: Billigpreise und Qualität
schließen sich aus, in der Schule 
wie im Leben. Ernährungswissen-
schaftler beklagen, dass Politiker
statt auf gesundes, also gutes   
Essen immer noch auf die Geiz-   
ist-geil-Mentalität setzen, obwohl
doch Geiz gottlos und oft auch
hirnlos ist.

Ihm schmeckt es!               
Mensa-Blog II
Als der Landrat diese Zeitungs-
meldung las, verging ihm wohl der
Appetit - und kehrte erst wieder,
als er sich in der gescholtenen
Kantine als Testesser probierte:
"Mir hat es geschmeckt, und ich
wurde satt", gab der Kreischef
trotzig zu Protokoll, kaum dass
er Fisch, Spinat und Kartoffeln
gespachtelt hatte. Die entschei-
dende Frage lautet natürlich: War
der Besuch Saftigs angekündigt?
Der Autor wird sich selbst als
Mystery Shopper in die Mensa ver-
fügen müssen, um den Vorwurf
mangelnder Qualität zu prüfen.

Was erlauben sich Pfeiffer?
Mensa-Blog III
Mission impossible - dem Autor
wurde der Zutritt zur Kantine
verwehrt. Grund: Seine Verkleidung
als Schüler flog auf. Hatte sich wohl
zu sehr am Herrn "Pfeiffer mit drei
Eff" orientiert. Ein Outfit à la
Feuerzangenbowle ist in Zeiten von
Sneakern, Destroyed Jeans und 
Kapuzenpullovern wirklich nicht
mehr zeitgemäß.
"Die Werbung ist ja geklaut!"
Schlecht.
Für Andernach.
Die Schülerzahlprognosen.
Trotzdem gut.
Landkreis Mayen-Koblenz.

www.kvmyk.de
*) Schwarze Zahlen statt schwarzer Null - inzwischen hat sich das Projekt zur Erfolgsstory
gemausert: 2017 besuchten mehr als 140.000 Gäste den Geysir (plus zehn Prozent gegenüber  
dem Vorjahr), was sich in einem Jahresüberschuss der Betreibergesellschaft von über 300.000 
Euro niederschlug. Ermöglicht wurde dies durch einen Umbau des Geysirzentrums, durch neue
Ausstellungsflächen und Attraktionen. Wie heißt es so schön? Wer sich im Ist-Zustand einrichtet,
richtet sich selbst.
"Hunderte Menschen suchen aktuell
in Andernach ein neues bezahlbares
Zuhause." Marc Ruland, der SPD-
Fraktionschef im Stadtrat
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© 2009-2023 Wolfgang Broemser
Auf die steigende Nachfrage nach
Wohnraum in Städten antwortet eine
steigende Anzahl gemischt genutzter
Quartiere. Der neue Baugebietstyp des
"Urbanen Gebietes" folgt dem Leitbild
einer Stadt "mit kurzen Wegen,
Arbeitsplätzen vor Ort und einer guten
sozialen Mischung". Anders als Eigen-
heim-Aggregate am Stadtrand oder auf
dem Land enthalten Stadtquartiere im
Idealfall unterschiedliche, frei finanzierte
und geförderte Wohnungen, wirken
sozial integrativ, ökologisch nachhaltig
und verringern den Flächenverbrauch.

Quartiere sind auch städtebaulich von
Vorteil, weil sie neue Bewohner und
Erwerbstätige in die Innenstädte brin- 
gen. Das Andernacher Projekt am
Ernestus-Platz könnte großstädtische
Vorbilder im Kleinen spiegeln und wie
diese zeigen: Das fortschrittliche Woh-
nen der Urbanisten macht die Menschen
sozialer und entlastet die Umwelt, das
reaktionäre Wohnen der Ruralisten,
sprich: der Stadtflüchter, macht die
Menschen unsozialer und belastet die
Umwelt.

Allerdings ist Bauland in den Zentren
knapp. Hier sind ostdeutsche Metro-
polen wie Leipzig oder Dresden im
Vorteil, deren Zentren zu DDR-Zeiten
verfielen und kaum verdichtet wurden.
Außerdem belegte die Reichsbahn sehr
viel Platz, der jetzt für Konversions-
zwecke genutzt werden kann (wie    
das RAW-Gelände im Osten Berlins).

Gemischt genutzte Quartiere sind die
schönsten Früchte des "goldenen" Jahr-
zehnts der Immobilienentwicklung, als 
die die Zehnerjahre jetzt schon gelten.
Billiges Geld machte hier das Bauen   
und den Erwerb von Bauten leicht,    
ließ Projektentwickler zur Höchstform
auflaufen, indem sie groß planen konn-
ten und Immobilien als Grundsteine für
ein gutes Leben konzipierten. Da dies 
nur mit anspruchsvoller Architektur     
gelingt, war die Dekade auch ein
Konjunktur- und Rechtfertigungs-
programm für die Baukunst.
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Futtern nicht bei Muttern: die neue Mensa
"Der Steuerzahler bezahlt das Essen, und die Schüler kotzen es ihm ins Gesicht!" Motzki                                  
In der Rekordzeit von zwei Monaten hat der Landkreis Mayen-Koblenz eine neue Mensa   
im Andernacher Schulzentrum errichtet - sie musste pünktlich zu Beginn des neuen Schul-
jahrs fertig werden. Nur so kann die auf das Doppelte angewachsene Zahl von Ganztags-
schülern des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums verpflegt werden. Bisher speisten 60 Ganz-
tagsschüler im Betriebsrestaurant einer Klinik. Für 120 Schüler wäre dort kein Platz mehr
gewesen. Wegen des Zeitdrucks entschied sich der Kreis für einen Fertigbau, der von  
einem Spezialisten hochgezogen wurde. Für den 1,6 Millionen Euro teuren Modulbau gab   
es Zuschüsse aus dem Konjunkturprogramm II des Bundes.

Die Kantine wächst mit

Dem zweigeschossigen Gebäude sieht man nicht an, dass es ein Fertigbau ist. Zwei
Mahlzeiten stehen zur Auswahl; der Schulträger fördert die Essenspreise. Die Gerichte
kommen von einem Catering-Service und werden in der Küche erwärmt und portioniert.
Richten auch die anderen Schulen des Zentrums Ganztagsangebote ein und behauptet die
Kantine sich gegen die Konkurrenz der Dönerbuden, kann das Gebäude um ein weiteres
Stockwerk erweitert werden und bis zu einer Kapazität von 800 Plätzen wachsen.

Wettbewerb um Neubürger wird härter

Laut Landrat Alexander Saftig stärkt die Kantine den Schulstandort Andernach, weil sie hilft,
Familie und Beruf zu vereinbaren: "Berufstätige Eltern können sicher sein, dass ihr Kind
regelmäßig ein ordentliches Mittagessen bekommt." Obwohl der Schulentwicklungsplan    
des Kreises vorhersagt, dass - mit Ausnahme der Gymnasien - Andernachs Schulen massiv
Schüler verlieren, sieht der Landrat die Situation in Andernach als "stabil" an. Die "Zentra-
lität der Stadt" ist ihm zufolge nicht gefährdet. Das Schulangebot sei groß und werde durch
die Mensa noch attraktiver. Der Kreischef ist überzeugt, dass es in zehn Jahren nur noch
Ganztagsschulen gibt.

Ein Projekt wie die neue Schulmensa zeigt, dass der Konkurrenzkampf der Kommunen, vor
allem um Familien mit Kindern, immer härter wird. Auch Andernach ist ein Kaninchen, das
die Schlange "demografischer Faktor" - immer mehr alte, immer weniger junge Menschen -
anstarrt, dabei aber nicht erstarren darf. Da ist die Hilfe des Landkreises wertvoll, der seit
2008 fast 50 Millionen Euro in seine Schulen investiert hat.
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Naturnah und schulfern

Auch bei der Vermarktung von Neubaugebieten lässt die Stadt sich nicht lumpen. Sie hat  
den Löwenanteil der Grundstücke im Baugebiet "Pönterberg II" im Stadtteil Kell erworben,
um Bauplätze zügig und (fast) zum Selbstkostenpreis veräußern zu können. Attraktive
Schulen und attraktives Bauland gehören sicherlich zusammen. Allerdings hat Kell keine
Schule und liegt von der Kernstadt und ihren Schulen kilometerweit entfernt. Viele Keller
Bürger bezweifeln daher die Notwendigkeit eines weiteren Neubaugebiets, haben sogar
erfolglos gegen den Bebauungsplan geklagt. Doch die Stadtverwaltung ist zuversichtlich,  
dass es eine "stabile Nachfrage" nach Bauplätzen in dem Dorf gibt. Sie will dort unbedingt
junge Familien (und neue Steuerzahler) ansiedeln, auch wenn Eigenheim-Ghettos auf dem
Land wegen der langen Wege ökonomisch und ökologisch nachteilig sind, die Landschaft
zersiedeln - durch Überbauung gehen in Deutschland täglich 60 Hektar Fläche, rund  
85 Fußballfelder, verloren - und die Vereinzelung, das Sich-Abschotten im eigenen Haus,
befördern. Hinzu kommt die dürftige Optik der "Kampa-Kisten", wobei die Häuslebauer    
oft unter dem Diktat der Bauindustrie stehen. Ein zusätzlicher Nachteil ist die Klimabilanz:
Nachverdichtung statt Umlandvernichtung

Im Andernacher Stadtrat regt sich zunehmend Widerstand gegen die weitere Umwandlung
landwirtschaftlicher Flächen am Stadtrand in neues Bauland. In erstaunlicher Einigkeit stim-
men die Stadträte der Grünen und der FDP das Hohe Lied der Nachverdichtung an. Beide
wollen sie urbane Quartiere in Zentrumsnähe schaffen, der kurzen Wege willen und um den
Flächenverbrauch zu stoppen. Doch freier Platz ist hier Mangelware. Eine Ausnahme bildet
das städtische Grundstück am Ernestus-Platz, gegenüber dem Koblenzer Tor. Die Stadt hat
das rund 4000 qm große Gelände, das derzeit als Parkplatz des Krankenhauspersonals ge-
nutzt wird, zum Gegenstand eines Investorenwettbewerbs gemacht. Dabei sollte der Bie-
ter mit dem besten Konzept, nicht mit dem besten Preisangebot, zum Zug kommen, um
bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Als Sieger steht inzwischen die Volksbank Rhein-
Ahr-Eifel fest, die hier einen Komplex mit Wohnungen, Arztpraxen und Gewerbe reali- 
sieren will. Das Quartier könnte, genauso wie der Neubau eines Stadtmuseums am west-
lichen Ende der Hochstraße, der Innenstadt einen neuen Schub verleihen. Dann wäre in
der Bäckerjungenstadt doch so manches Gold, was glänzt...
Kein Haustyp verbraucht mehr Energie als ein freistehendes Eigenheim. Daher wundert es
nicht, wenn die Grünen in einem Hamburger Stadtbezirk den Bau von Einfamilienhäusern
verbieten wollen. In Großstädten, wo der Platz knapp ist, ist das absolut vernünftig. Ver-
nünftig wäre auch, das Wohnen in der Stadt wieder bezahlbar zu machen, indem Städte
genug Bauland ausweisen und die Stadtflucht aufhalten. Diese zersiedelt das Land und
verursacht lange Pendlerfahrten. Die (Sehn-)Sucht nach Eigenheimen ist so toxisch, weil   
sie der Allgemeinheit schadet, aber das allgemeine Glücksstreben repräsentiert wie keine
andere Sucht - der Süchtige will daher partout nicht von seiner Sucht lassen.
Innerstädtische Quartiere:    die neuen Lieblinge von Bau-behörden und Investoren
Wo (bezahlbare) Wohnungen entstehen und wo sie garantiert nicht entstehen: Das städtische 
Grundstück gegenüber von Lidl (1) liegt seit Jahrzehnten brach. Der Bebauungsplan aus den 90er-Jahren sah
hier ursprünglich Wohn- und Gewerbeimmobilien vor. Doch für das ehemalige Industrieareal ("Leimbinderhallen")
fanden sich wegen der Lage im Überschwemmungsgebiet des Rheins und der Nähe zum Stromhafen, der
Lärmschutzmaßnahmen erfordert, keine Käufer. Im südlichen Teil des Geländes will nun das DRK seine neue
Zentrale bauen; in der Mitte plant die Stadt eine Kita und am Nordende ein Parkdeck für das Krankenhaus-
personal. Nur wenige hundert Meter stadteinwärts liegt das Grundstück am Ernestus-Platz (2), das Gegenstand
eines Investorenwettbewerbs der Stadt war. Zwischen den beiden Standorten, an der Koblenzer Straße (3),
erstellt ein Bauträger ein kantiges Objekt mit Eigentumswohnungen, einem Büro und einem Ladenlokal und
verdeutlicht die Attraktivität der Lage für Immobilienprojekte (vor der Haustür liegt Andernachs größtes Einzel-
handelsquartier). Im ehemaligen EVM-Gebäude in der Moltkestraße (4) wollte die Stadt Sozialwohnungen
einrichten. Da dort aber inzwischen Asylbewerber untergebracht sind, fordert die SPD, den städtischen
Wohnungsbau mit Hilfe des seriellen Bauens anzukurbeln. Durch den Umbau eines Gebäudes in der Bahn-
hofstraße (5) hat ein einheimischer Unternehmer ein Wohn- und Geschäftshaus mit delikater Fassade
geschaffen. In dem Nachkriegsbau befand sich bis in die 70er-Jahre das Kaufhaus "Alte Post" der jüdischen
Familie Lipsky/Berg. In der Friedrichstraße (6) baute die Kreissparkasse erstmals Mietwohnungen für eigene
Mitarbeiter. Die Sparkasse beteiligte sich bereits an dem Wettbewerb um den Ernestus-Platz, was das Inter-
esse von Kreditinstituten an Immobilien in Zeiten von Niedrigzinsen zeigt. An der Stelle des ehemaligen
Restaurants "Zum Bollwerk" (7) errrichtet ein Bauunternehmer aus Miesenheim ein fünfstöckiges Haus mit
Eigentumswohnungen und Stellplätzen im flutbaren Erdgeschoss. Wenige hundert Meter weiter schlägt die
Kreissparkasse erneut zu - auch wenn Baupreise und Zinsen inzwischen kräftig gestiegen sind - und baut,  
wenig überraschend, ebenfalls Eigentumswohnungen (8). Dafür wurde die letzte Fabrikantenvilla der Firma
Weissheimer abgeräumt. Deutlich wird: An Andernachs "Croisette", der Konrad-Adenauer-Allee, entsteht   
schon längst kein bezahlbares Zuhause mehr; den unverbaubaren Rheinblick muss man sich verdienen.
Verdienen muss man sich auch die von einem Plaidter Bauträger an der Beckstraße geplanten Wohnungen   
des Projekts "Avedis" (9). Das Wort heißt so viel wie "Frohe Botschaft" - die aber nur Menschen adressiert,
welche Quadratmeterpreise von 3900 bis 4400 Euro nicht in die Flucht schlagen (vor etlichen Jahren waren  
das noch Großstadtpreise). Fazit: bezahlbarer Wohnraum in der Bäckerjungenstadt verzweifelt gesucht, wie in
ganz Deutschland, wo derzeit laut Immobilienbranche 800.000 Wohnungen fehlen. Eine städtische Wohnungs-
baugesellschaft - über die zum Beispiel Andernachs thüringische Partnerstadt Zella-Mehlis verfügt - könnte
helfen, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu lindern.
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"Wir kriegen alles
gebacken!"