"Ich bin gerade jetzt glücklich, weil ich
so lange unglücklich war. Es ist fast
unheimlich, glücklich zu sein."             
P.S.: Seit langem träumt die Charles-Bukowski-Gesellschaft davon, eine Gedenkstätte im Andernacher
Geburtshaus des Schriftstellers einzurichten. In dem Haus an der Ecke Aktienstraße/Im Winkel ist derzeit
"I look with much fondness toward
you and toward Andernach, where  
I began my life."
Aus einem Brief an Onkel Heinrich
                                        
 
Der Maro Verlag brachte 2007
eine Neuausgabe der Ochsentour
heraus. (Darin wieder das Foto,
das Bukowski beim Verlassen 
des Kölner Doms zeigt - ein
mittleres PR-Desaster. Wer
schleppte eigentlich Buk an
diesen Ort? Kein Freund.)
"Bukowski zelebrierte eine seltene Kunst - die Kunst des Verlierens." Gundolf S. Freyermuth
Im Ariel-Verlag erschien Los
Angeles - Andernach. Briefe an
Onkel Heinrich, hg. von der
Charles-Bukowski-Gesellschaft.
Der 2001-Versand schnitt die
Lesung Bukowskis 1978 in
Hamburg mit und gab sie als LP
heraus; 2008 neu veröffentlicht
auf CD ("Hello, it´s good to be
back!").
Das Label Bellaphon edierte eine
DVD mit Filmen von Thomas
Schmitt: "Charles Bukowski in
Hamburg" und "Bukowski zum
Siebzigsten" (gedreht im Haus 
des Autors).
"Hey, Buk, bei uns schäumt das Bier am besten!"
Der Ritterschlag zum Klassiker - ein eigenes Straßenschild in den Andernacher Rheinanlagen!
"Hank...?"
Selbstportrait in Öl, 1983
"Mein Essen bestand im Allgemeinen
aus einem Schokoriegel täglich. Eine
Flasche billiger Wein war das Teuer-
ste, was ich mir leistete. Ich rauchte
Selbstgedrehte und schrieb Hunderte
Short Stories, die meisten in Tinte  
mit der Hand." Basic Training/
Grundausbildung
"Ich wollte die Fallen umgehen und
durchhalten, wollte an der Maschine
sterben, mit einer Flasche Wein zur
Kein "Giftschrank", alles frei zugänglich - die Bukowski-Ausstellung in der Stadtbibliothek wurde von
der Künstlerin Doris Büma 2018 neu gestaltet. Inzwischen ist die Ausstellung in den obersten Stock der
Bücherei umgezogen - was allerdings keine gute Idee war...
"Ich wäre dein stärkster Roman-
held geworden, Hank. Ich eigne
mich für obszöne Literatur,
definitiv!"
Linken und vielleicht Mozart aus 
dem Radio zu meiner Rechten."
Basic Training/Grundausbildung
© 2009-2023 Wolfgang Broemser
In einem Interview mit der Rhein-
Zeitung, 3. Juni 1978
Die literarische Stimme der Nietenzieher
Das ist nicht Hank!
"Die Worte sind einfacher und doch wärmer geworden, dunkler.
Ich werde aus verschiedenen Quellen gefüttert. Dem Tod nahe
zu sein, ist belebend." Das ist Hank
Der genialste "Maulwurf-Poet" der amerikanischen Literatur stammt aus Andernach. Henry
Charles Bukowski Jr. wurde hier 1920 als Sohn eines US-Soldaten und der Näherin Katherina
Fett geboren. Drei Jahre später zog die Familie nach Los Angeles um, in die Geburtsstadt des
Vaters. Der Ex-Sergeant arbeitet nun als Milchausfahrer, legt sich mit jedem an, betrügt seine
Frau, verdrischt seinen Sohn, wenn der den Rasen nicht akkurat genug mäht.

In der Schule hat Bukowski kaum Freunde. Er ist zwar ein guter Schüler, aber ein schlechter
Baseballspieler, wird als "Heini" und "Sauerkrautfresser" verspottet, muss andere verprügeln,
um nicht selbst verpügelt zu werden. "Auf amerikanischen Schulhöfen war mir von klein auf
beigebracht worden, dass es eine Schande war, wenn man sich besiegen ließ", wird sich sein
literarisches Alter Ego Hank Chinaski erinnern. Ein durch ein Stipendium ermöglichtes
Journalismus-Studium am L. A. City College bricht Buk wieder ab. Ohne Berufsausbildung 
zieht er in den 1940er-Jahren von Job zu Job, von Stadt zu Stadt, arbeitet in Hundekuchen-
fabriken und Schlachthöfen, in Tankstellen und Versandabteilungen. Sein Alkoholkonsum in
dieser Zeit und auch später ist hoch. Ein begabter Mensch geht vor die Hunde.
Galeerensträfling bei der Post

15 Jahre als Briefträger und -sortierer bei der Post, wo das Arbeitspensum rigoros genormt
ist, bestärken Bukowski in dem Eindruck, dass er zu den Nietenziehern gehört. Wer nicht
ehrgeizig genug ist im bürgerlichen Leben, wird mit besonders stressiger Arbeit bestraft  
("ich schlief den ganzen Tag, um mich für den Job auszuruhen", heißt es in Post Office, dem      
autobiografischen Roman über diese Zeit). Dass die Würde des Menschen unantastbar sei, 
ist zwar eine Forderung des Grundgesetzes, doch die Arbeitswelt in den USA und auch in
Deutschland - für welches das Grundgesetz gilt - hält sich nicht unbedingt daran, wie     
etwa der Niedriglohnsektor oder der Gender Pay Gap zeigen.

Aber dieser Mann pflegt über Jahrzehnte sein literarisches Talent: "Erst wenn man lernt,     
zu retten, was man retten kann, wird man weniger besiegt und weniger vernichtet werden."     
In Gedichten und Short Stories, zuerst publiziert in Untergrundzeitschriften, schildert Buk      
die eigene Misere und die Misere anderer Lost Souls, realistisch und so direkt, dass man 
meint, dabei zu sein. Sex und Suff spielen einer nicht zu übersehende Rolle; sie erscheinen 
als Privileg der Nichtprivilegierten, als Mittel, um zu spüren, dass man lebt, und zwar im wil-
den Zentrum des Lebens. Mit seiner brutalen und brutal guten Schreibe will der Autor sich
jenen Respekt erobern, den die Gesellschaft ihm versagt, der "Dirty Realism" ist seine Form
der Rebellion. Und die Rechnung soll aufgehen - diesen amerikanischen Schulhof wird
Bukowski nicht als Besiegter verlassen...
Vom "Heini" zum Popstar der Literatur

Mit knapp fünfzig quittiert er den Dienst, um Karriere zu machen, Karriere als Schriftsteller.
Und tatsächlich, das Davonfliegen - "wie ein Pfeil Richtung Himmel" - gelingt dem ehema-
ligen Nietenzieher. Der Roman Der Mann mit der Ledertasche - die deutsche Übersetzung 
von Post Office - und der Band Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stock aus dem Fenster
sprang werden zu Bestsellern, vor allem in Buks Geburtsland. Als der Dichter 1978 zu einer
Lesung nach Hamburg kommt - vor der er, "der eher schüchterne Mensch" (Freyermuth),
richtig Angst hat -, feiern ihn 1200 Zuhörer wie einen Popstar. Von diesem Ausflug zu den
Wurzeln erzählt das Buch mit dem bezeichnenden Titel Die Ochsentour. Der Einzelgänger
steht erstmals im Licht der Öffentlichkeit, was ihn häufig zu überfordern scheint. Seine    
erste Deutschlandreise wird auch seine letzte bleiben.

In Andernach besucht Bukowski den 90-jährigen Onkel Heinrich. Dieser zeigt ihm sein     
Geburtshaus in der Aktienstraße, das gerade zum Verkauf steht. In der Wohnung des Onkels
wird der Heimkehrer herzlich bewirtet: "Die Wohnung war blitzblank, typisch deutsch wie
auch der Kuchen und Kaffee... es war die Zeit, wenn man sich zusammensetzte und freund-
lich plauderte; es war eine Pause im Daseinskampf; sie war notwendig und gut."
So lernten sich Buks Eltern kennen

Der Onkel erzählt seinem Neffen, wie seine Familie nach dem Ersten Weltkrieg Hunger litt,
wie sie sah, dass die einquartierten US-Soldaten Fleisch aßen und das Fett wegwarfen, wie
seine Schwester - die spätere Mutter Bukowskis - dem Sergeanten Bukowski deshalb
empört auf die Stiefel spuckte, wie der Sergeant ihr daraufhin jeden Abend Fleisch, Brot,
Gemüse brachte - und "so lernten sie sich kennen und später heirateten sie." So hat er es
also gedreht, registriert der Autor kühl. Das schlechte Verhältnis zu seinem Vater war der 
Hauptgrund für Bukowskis rebellisches und zugleich defätistisches Lebensgefühl. Der Vater
war nicht sein Vorbild, der Vater war sein Feind. "Familie plus Gott und Vaterland, ein  
Zehn-Stunden-Tag dazu, und schon hatte man alles, was man brauchte" - dieser Glaube,   
den Henry Senior Henry Junior einzutrichtern versuchte, ließ den Sohn sich gegen alle
bürgerlichen Werte verschließen. Der Preis dafür: Jobhopping, Arbeitslosigkeit, Armut,
Alkoholabhängigkeit. Kein Leben im Wohlstand, sondern im ständigen Ausnahmezustand.
Buk erlebt den amerikanischen Traum als amerikanischen Albtraum, der aber den Blick      
für die Tragik der menschlichen Existenz schärft.
Der Außenseiter kriegt die Kurve, bleibt aber Außenseiter

Die Kraft zur Rebellion raubt Bukowski zugleich Kraft, macht Depression zum Grundtenor
seines Lebens, lässt ihn seinen Defätismus niemals ablegen. Er kommt noch in der Ochsentour
zum Ausdruck, obwohl sich da schon der Erfolg eingestellt hat: "Es stimmte doch, daß das
Leben nicht zum Aushalten war, nur den meisten Leuten hatte man beigebracht, so zu tun, 
als wenn das nicht so wäre." Die Erfahrung, dass so viele Menschen, allen voran der eigene
Vater, einem geschadet und nicht geholfen haben, lässt sich nicht verwinden, auch wenn man
sich auf seine alten Tage vom Nietenzieher zur literarischen Stimme der Nietenzieher wan-
delt, dank plötzlich fließender Tantiemen gar ein eigenes Haus (inklusive Jacuzzi und neun
Katzen) erwerben kann. Der begabte Mensch kehrt spät zurück, aber versehrt und ein-
geschränkt in seinem Leben und der Thematik seines Schaffens.
Die Barmherzigkeit der Literatur

Und doch: Dieser Autor war ein Wunder an Widerstandskraft, ein Loser, der nicht unter-
ging, ein Bad Guy, der menschlich blieb und das glanzlose Leben der Abgehängten in glän-
zende Literatur verwandelte. Bukowski gewährt seinen Figuren die Gnade künstlerischer
Verarbeitung, die sie vor sich selber und der Verachtung der Leser schützt - im Gegensatz 
zu den quasi nackt abgefilmten Menschen des sogenannten "Unterschichten-Fernsehens". 
Der Dichter nimmt sich Zeit, dringt in seelische Schichten vor, die seine  Figuren mit den
Lesern teilen. Solche Schichten erreicht das Reality-TV nie. Stattdessen liefert es die ohne
den Filter der Fiktion dargestellten Personen dem Voyeurismus aus. Die Lost Souls im Fern-    
sehen verlieren ein zweites Mal, während sie bei Bukowski ihre Würde zurückgewinnen.
Aber nicht durch Moral, sondern durch stilsichere Überzeichnung, die das Leben der
Außenseiter oft so komisch und lustvoll vulgär erscheinen lässt, dass auch der "normale"
Leser sich mit ihnen identifiziert.
Das Schreiben half Bukowski nicht nur, zu überleben, es half ihm auch, achtsam zu sein für
andere prekäre Existenzen, die sonst niemand zur Kenntnis nimmt - wie es die Schilderung
des Schicksals der Putzfrau Betty in Post Office zeigt. Oder, in demselben Buch, die Dar-
stellung des alten Briefträgers, der "wie ein treuer Gaul war, der einfach nicht mehr weiter-
gehen kann". Oder das Portrait der Stripperinnen vom Burbank, die nicht nur als Objekte,
sondern als Menschen kenntlich werden. Diese Humanität, die in der Beschreibung in-
humaner Verhältnisse aufscheint, hat wohl zu der erstaunlichen Popularität Bukowskis bei-
getragen, neben der Romanhaftigkeit seines Lebens und dem Drang, Lebensweisheiten zu
destillieren, sich als Mentor zu gerieren, weil man selbst nie einen hatte. Nach seinem Tod
übernahm die Huntington Library den Nachlass des Autors, es fanden Bukowski-Auktionen
statt, und der Strom nachträglich publizierter Werke riss jahrelang nicht ab. Kein Schrift-
steller zeigt eindringlicher, dass und wie weit Kunst und der Glaube an sie trägt. Bukowski
war kein "Gossenpoet"; er verließ die Gosse, sobald er Poet war. Je tiefer er im Leben fiel,
desto höher stieg er auf zum Parnass. Heute ist der Underdog aus Andernach eine Ikone   
der amerikanischen Popkultur. Trotzdem steht er nicht jedem, schon gar nicht der Mehrheit.
Dafür war er zu groß im Leiden, Kämpfen und Provozieren.
das Karnevalsmuseum eines Kranführers und ehemaligen Fastnachtsprinzen untergebracht. Der Mann hat,
genau wie die Stadt, keinerlei Vorbehalte gegen die Idee. Das Museum könnte dem Thema "Bukowski und
Deutschland" gewidmet sein; das Archiv der Gesellschaft birgt eine Fülle an Material. Doch bilden die Bau-
und Betriebskosten bis dato eine unüberwindbar hohe Hürde. Und daran dürfte sich, angesichts der über-
schaubaren Zielgruppe eines jeden Literaturmuseums, kaum etwas ändern...
Auch Bukowskis Witwe möchte, dass nach ihrem Tod im Haus ihres Mannes ein Museum entsteht, mit
dem Arbeitszimmer Buks und den Manuskripten seines Spätwerks. Es handelt sich um die Villa, die   
der vermögend gewordene Autor 1978 in San Pedro, einem Stadtteil von Los Angeles, erwarb. Wird  
die Stadt der Engel oder die Stadt des Erzengels Michael einmal des "gefallenen" Engels Buk museal       
gedenken? Immerhin kann Andernachs Stadtbibliothek mit einer schnuckeligen Bukowski-Ecke auf-
warten - eine der schönsten oder "schmutzigsten" Ecken der Stadt, je nach Gusto. Das sollte reichen.