Zehn Jahre nach dem Start der Mini-Mall existieren von den ehemals elf Läden noch ganze
drei. Die letzten Mohikaner können, indem sie mit ihrem Auszug drohen, die Miete wahrscheinlich
drücken - im Gegensatz zur Stadt, die auf ihre Räume in der Galerie angewiesen ist. Unter den
dreien ist auch der Modeanbieter Gerry Weber, der in diesem Jahr ein Insolvenzverfahren
durchlaufen musste und sich von einem Drittel seiner deutschen Standorte verabschiedet hat -
Andernach blieb, o Wunder, davon verschont ("alles im grünen Bereich, wir schließen nicht",
beteuert eine Verkäuferin). Die alternative Nutzung der leer stehenden Läden beschränkt sich auf
eine Art Home Staging: So wie leere Wohnungen temporär möbliert werden, damit sie besser zu
vermarkten sind, werden die Schaufenster mit Werken regionaler Künstler geschmückt, damit der
Leerstand nicht so hässlich aussieht. Kosmetik statt Ursachenforschung, Leben von der Substanz
statt neues Leben - und Kunst als Lückenbüßer! Es gibt in der Stadt kein zynischeres Haus.
_C & A
Der Ankermieter der Stadthausgalerie und Erfinder der Konfektionsbekleidung. Sein Name
steht nicht für "Chic & Atemberaubend", sondern für die Vornamen der Firmengründer
Clemens und August Brenninkmeyer. Das Unternehmen bietet in Andernach ein einge-
schränktes Sortiment für die ganze Familie an. (Laut "Manager Magazin" will der Mode-
konzern in den nächsten Jahren bis zu hundert Standorte schließen.)
_Ihr Platz
War zuvor in der Bahnhofstraße, zog in die Galerie um. Das Sortiment des Osnabrücker
Drogeriemarkts konzentriert sich auch weiterhin auf Körperpflege, Schönheits- und Gesund-
heitsartikel. Für alles andere ist im "Platz", pardon, kein Platz. (Nach der Insolvenz der Kette
zog Rossmann ein - um wenige Jahre später wieder auszuziehen.)
_Apollo Optik
Der Gott des Lichtes und der Heilung kommt nach Andernach - in Gestalt von Deutsch-
lands größtem Optiker! Die Brillenkette hat "nur Ihre Augen im Kopf" und stattete die Kan-
didatinnen von Germanys Next Topmodel aus. Sie will Qualität und Billigpreise unter einen
Hut bringen - dieses Kunststück gelingt, wenn überhaupt, nur Apoll, dem Gott auch der
Künste...
_Klier
Der größte System-Frisör Deutschlands, der so gut wie jedes Einkaufszentrum unsicher
macht. Antwort auf "haarige" Fragen wie: Was brauche ich für welches Outfit - Haargel?
Haarspray? Haarschaum? Haarwax? Oder vielleicht gar kein Haar? Für Klier gilt, wie für jeden
Frisör: Hier wird Ihr überschüssiges Haar abgeschnitten und der Rest auf Händen getragen.
(Die Filiale gibt's inzwischen nicht mehr.)
_Cosmo
Liegt haargenau gegenüber von Klier, ohne sich mit diesem in die Haare zu kriegen. Denn
Cosmo ist kein Frisör, sondern Großhändler für Pflegeprodukte rund ums Haar. Verkauf an
Profis und Endkunden. (Der Laden gab früh auf. Danach zog hier das Büro einer ehrenamtlichen
Initiative zur Leerstandsberatung ein, die erfolglos blieb. Inzwischen ist an dem Ort die städtische
Touristeninformation angesiedelt.)
_S. Oliver
Das Young-fashion-Label aus dem fränkischen Rottendorf eroberte erst die Welt, ehe es
sich ein Herz fasste, auch Andernach zu erobern. Urbane Mode für Sie und Ihn, individueller
Style und voll das Gegenteil von voll daneben, nämlich voll im Trend. Komplett-Angebote
von Kleidung über Schuhe, Taschen, Gürtel, Schals, Socken bis zu Parfüms und Sonnenbrillen.
(Half aber alles nichts - inzwischen kehrte auch dieses Unternehmen der Kleinstadt-Mall den
Rücken.)
_Gerry Weber
Der Hecht im Karpfenteich! Das Unternehmen aus Halle in Westfalen hat sich zum börsen-
notierten Lifestyle-Konzern gemausert, der weltweit gehobene Damenmode verkauft. Für
sein Stadion bekannt, in dem die Gerry Weber Open, Deutschlands einziges ATP-Tennis-
turnier auf Rasen, stattfinden. (Das Unternehmen musste sich zuletzt einer Insolvenz in Selbst-
verwaltung unterziehen- aus dem Hecht ist ein ziemlich kleiner Fisch geworden.)
_Phonehouse
Klingt nach Telefonhäuschen, verkauft aber, was diesem den Garaus machte: Smartphones,
Notebooks, DSL- und Mobilfunkverträge. Vertragspartner aller wichtigen Telekom-
munikations-Unternehmen. (Die Filiale machte inzwischen dicht.)
_Street One
Junge Mode für Frauen. Jeden Monat eine neue Kollektion, aktuell und kurzfristig lieferbar.
Komplettes Fashion-Sortiment, dazu Under- und Leisurewear sowie Night- und Sportswear.
So viel Klamotten-Englisch zieht einem doch glatt die Shoewear, pardon: die Schuhe aus!
(Auf den Laden folgte Britta Moden, die dann in die Kramgasse zog, weil die Boutique dort
sichtbarer ist!)
_Cecil
Eigentlich dasselbe wie Street One, young fashion für Frauen, auch jeden Monat was Neues.
Mode gut kombinierbar, Farben bauen aufeinander auf. Teil einer Markenfamilie, zu der
auch Street One gehört. Man macht sich fröhlich gegenseitig Konkurrenz. (Auch dieser Laden
hat sich längst vom Acker gemacht.)
_Martina Fashion
Das einzige inhabergeführte Geschäft der Galerie! Zeigt, dass sich 42-plus-Größen und
schicke Mode nicht ausschließen. Hier gibt´s Pfundsklamotten für Pfundsweiber, hier würde
Cindy aus Marzahn einkaufen, wenn sie nicht so prollig wäre und in Andernach wohnte.
(Der Laden gab, weil er nicht den langen Atem eines Filialisten hatte, als erster auf.)
_Meyerbeer
Ein Coffee Shop mit Kaffeesorten aus unterschiedlichen Anbaugebieten. Arbeitet mit einer
prämierten Rösterei aus der Toskana zusammen. Benannt nach dem Komponisten Giacomo
Meyerbeer, dessen Unterschrift (nebst Bassnoten-Schlüssel) das Logo ziert. Vom ersten Stock
des Cafés lässt es sich wunderbar auf die Welt hinabblicken. Zum schmeichelhaften Ausblick
passen die Smoothies des Hauses, die der Zunge schmeicheln. (Auf den Opernkomponisten
folgte das Eiscafé Teatro mit XXL-Portionen - in denen ist offenbar mehr Musik drin. Eis geht
immer, daher gehen Cafés wie das Teatro nie, während nebenan die Vorhänge längst zu sind.)