Ein Gigant fällt: Abriss der letzten Malzfabrik
© Naujack, Rind, Hof
Nach den Vorstellungen des Architekten Tom Naujack führt vom Merowingerplatz (re.) eine Freitreppe hinunter in den
mehrere Meter unter dem Niveau der Hochstraße gelegenen archäologischen Garten. Der wird außerdem über die
Kirchstraße (links) erschlossen. Die Römertherme soll, um vor der Witterung geschützt zu sein, komplett eingehaust werden
(im Park rechts oben), ein Café mit Sonnenterrasse für Aufenthaltsqualität sorgen. Eine offene Stelle in der spätrömischen
Kastellmauer (Mitte) verbindet mit dem Hotel (oben), das das Café betreiben könnte. Ein Museum soll die Kleinfunde zeigen;
es könnte entweder direkt im Park oder an der Ecke der geplanten neuen Häuserzeile am Merowingerplatz entstehen.
© Gesell, Kriesten + Partner
Stiftung sorgt für ein Happy End

Die Grundstücke an der Hochstraße verkaufte die Stadt bereits 2015 an den Andernacher Bauverein. Die tradi-
tionsreiche Genossenschaft erbaute hier für ihre Mitglieder zwanzig barrierefreie Wohnungen, vier Maisonette-
wohnungen und eine Tiefgarage (s. Zeichnung oben). Planer war das Architekturbüro Gesell, das schon das Mehr-
generationenhaus des Bauvereins in der Karolingerstraße entworfen hatte.

Schwieriger verlief die Vermarktung des Grundstücks an der Konrad-Adenauer-Allee, im Norden des ehemaligen
Weissheimer-Geländes. Zuletzt war ein einheimischer Projektentwickler mit dem Versuch gescheitert, hier ein
Tagungs- und Wellnesshotel im Vier-Sterne-Rang mit 100 Zimmern zu bauen; es fand sich offenbar kein Geld-
geber. Das nötige Kleingeld hatte erst die Stiftung eines ehemaligen Baustoffunternehmers parat, den ein sehr
persönliches Schicksal mit der Bäckerjungenstadt verbindet (seine früh verstorbene Tochter besuchte hier die
Schule und heiratete hier). Er errichtete in Rekordzeit das Quartier "Am Römerpark", bestehend aus erschwing-
lichen Mietwohnungen für alle Generationen und einem Vier-Sterne-Hotel mit Tagungsräumen und Rooftop-
Gastronomie. Vielleicht hatte es der ehemalige Industrielle wegen seines fortgeschrittenen Alters so eilig.      
Späte Karrieren, hier als Bauherr, sind die schönsten, weil sie niemand mehr erwartet hat.
Verflixt und zugebaut: Angesichts der fertiggestellten Reihenhäuser des Bauvereins an der Hochstraße beschleicht
einen das Gefühl, dass die Dreiteilung des Areals, die das Architektenbüro der Stadt vorschlug, städtebaulich proble-
matisch ist. Der freie Blick vom Rhein her auf Andernachs Altstadt, auf das Kolpinghaus und den Merowingerhof, ist
passé. Der Neubauriegel entfaltet, weil  er deutlich höher liegt als der Archäologische Garten, eine unangenehme
optische Dominanz. Aufgrund seiner Tiefe staucht er die Ausdehnung des Gartens zusammen. Die Einfahrt zur Tief-
garage ragt zu weit ins Gelände hinein, wegen des Erhalts eines mediokren wilhelminischen Eckbaus, für den sich    
Anhänger der "Nachhaltigkeit" stark machten. Und das Wimmelbild der Rückfront der Häuser mit ihren Balkonen,
Terrassen, liegenden Fenstern ist alles andere als prickelnd.
Im Rückblick erstaunt es, dass der Stadtrat so wenig diskussionsfreudig war, als Tom Naujack seinen Masterplan
für die Gestaltung des Weissheimer-Geländes vorstellte. Denn alternativ wären neue Wohnhäuser auch im westlichen
Teil der Hochstraße möglich gewesen, schmale Stadthäuser etwa, wie sie schon vor über dreißig Jahren in der Oberen
Wallstraße entstanden. Im denkmalgeschützten Gebäude Nr. 11, dem ehemaligen Bürgermeisterhaus aus dem       
18. Jahrhundert, hätte die Stadt Eigentumswohnungen schaffen können, wie sie es schon in der "Villa Regia" in         
der Schaarstraße getan hatte. Die Wohnungen dort verkauften sich im Handumdrehen.
Bei einer Freihaltung der Hochstraße zwischen Kirchstraße und Merowingerplatz hätte sich der historische
Garten* bis zur Hochstraße ausdehnen können. So wäre der Blick auf das Kolpinghaus, sprich: die Andernacher
Altstadt, erhalten geblieben und der Garten nicht in eine Sandwich-Position, zwischen die Neubauten an der
Hochstraße und der Konrad-Adenauer-Allee, gezwängt worden. Entlang der Stützmauer an der Hochstraße hätte
man ein Stück "Essbare Stadt" - Obst, Gemüse, Spaliergehölze - anpflanzen können. Zusätzlich hätte ein Investor
ein Café oder Restaurant bauen können, das sich an die Mauer anschmiegt, so, wie eine Orangerie an die Mauer
eines Barockgartens. Die Prosa der Reihenhäuser stört die Poesie des Gartens jedenfalls empfindlich. Dazu tragen
auch die Betonwälle der Tiefgarage bei, die durch die Verkleidung mit Grauwacke nicht schöner werden.
*) Auch bei dieser Freifläche folgte die Verwaltung einem zweifelhaften Expertenrat. Dieselben Archäologen, die jahrelang      
das Gelände umgepflügt und tiefe Einblicke in Andernachs Geschichte freigelegt hatten, rieten davon ab, der Öffentlichkeit die
römische Thermenanlage zu präsentieren. Römische Bäder gebe es schon in vielen Städten und die Folgekosten seien zu hoch.
Also schüttete die Stadt die Reste der Therme und eines Getreidespeichers wieder zu und deutet ihre Existenz nur durch pas-
sende Pflanzen an (Lavendel symbolisiert die Badeanlage). Ein Schildbürgerstreich - eine der ältesten deutschen Städte versteckt
ihre römischen Relikte! Dem Autor ist im nördlichen Rheinland-Pfalz allein das Bad der Römervilla in Bad Neuenahr-Ahrweiler
bekannt. Im Gegensatz zur XXL-Einhausung der Villa am Silberberg hätten sich die Andernacher Funde auch bescheidener kon-
servieren lassen, ohne ihren Schutz aufs Spiel zu setzen. Berlin etwa zeigt seine Funde in archäologischen "Fenstern". Zuschütten
sei die beste Konservierung, meinen Schlaumeier, Geschichte solle im Boden bleiben - aber doch nicht, wenn der Boden nicht
überbaut wird! Ein historischer Garten ohne sichtbare Historie ist nur eine beliebige Grünanlage. Wie viel ist Andernach seine
römische Vergangenheit wert - nachdem die Wühlmäuse so lange wühlen und so großartige Funde bergen konnten?
© 2009-2024 Wolfgang Broemser
Der Humpenheber alias Malzi, lang-
jähriger Werbe- und Sympathieträger
für das von Weissheimer gebraute
Andernacher Malzbier. Das Bier ent-
hielt viel Kohlensäure und ergo viel
Schaum und bekam in Testberichten
Spitzennoten. Malzi wurde von der
Gemeinschaft Deutscher Hutfach-
geschäfte zweimal zum Hutträger   
des Jahres gekürt.
Bohnenstangen statt Baustelle
Jahrelang scheiterten Versuche der Stadt,   
den nördlichen Teil des Weissheimer-Areals
an der Konrad-Adenauer-Allee zu verkaufen.   
Erst ein Investorenwettbewerb, aus dem  
die Anne-Ehl-Stiftung aus Urbar als Sieger
hervorging, brachte die Wende. Das von  
der Stiftung vorgeschlagene Konzept eines
gemischten Quartiers überzeugte Verwal-
tung und Stadtrat. Im Juni 2017 wurden  
ein Kauf- und ein städtebaulicher Vertrag
abgeschlossen, in dem der Investor sich   
dazu verpflichtete, das Projekt bis 2021
fertigzustellen. Es wurde schon ein Jahr
früher fertig. Ein Glücksfall für die Stadt, 
weil sie und der Investor an einem Strang
zogen!
"Ausgrabungen bedeuten immer eine
vollständige Zerstörung des archäologi-    
schen Originals."
Ja mei, warum sind Sie dann Archäologe
geworden, Herr Dr. Dr. Axel von Berg?
(Merke: Pompeji wurde durch den Vesuv
zerstört, nicht durch seine Ausgräber!)
Wo der Lavendel blüht, gingen einst
die Römer baden - und heute die
Bemühungen der Stadt, noch attrak-
tiver zu werden? (s. unten)
"Oh, da will wohl einer mit mir kon-
kurrieren - aber beim Motzen bin ich
King, du kleines A...loch!"

Motzki, Andernachs Chef-Motzer und
ein Fan der gleichnamigen TV-Figur von
Wolfgang Menge. War in den frühen
90er-Jahren wild entschlossen, Ossis
Fahrunterricht zu erteilen, "damit der
Wechsel vom Trabi zum Auto nicht     
in einem Massaker endet."

"Sollte Putin Ostdeutschland zurück-
erobern, würden auch die Wessis ihn
lieben - wie zuvor schon die Ossis!"                                                          
Motzki zum zweiten
"Mit Malzbier, liebe Kinder, geht es los!" Diese Werbung rügte der Deutsche Presserat
 
"Alles gut, vom Bier bis
zum Hut!"
Fast ein halbes Jahrhundert lang prägten die Gerste-Silos der Mälzerei Friedrich Weissheimer die Silhouette
Andernachs. Die Einwohner hatten sich an die erdrückende optische Dominanz des Industriebaus inmitten der
Altstadt gewöhnt. Die größte Malzfabrik Deutschlands bot zwar nicht allzu viele Arbeitsplätze, war aber ein
wichtiger Steuerzahler. Wegen der räumlichen Enge beschloss die Firma schließlich aber, die Produktion in       
den Koblenzer Hafen zu verlegen.

Abschied von einer bierseligen Ära

Doch dazu kam es nicht mehr, denn das Familienunternehmen musste 2006 Insolvenz anmelden. Damit ver-
schwand die älteste Malzfabrik Andernachs von der Bildfläche. In der Blütezeit der Malzproduktion, im 19. Jahr-
hundert, waren in der Stadt 23 Betriebe tätig gewesen. Die vorletzte Mälzerei, Mengelbier an der Koblenzer
Straße, hatte 1998 die Segel gestrichen. Dieses Schicksal ereilte nun auch Weissheimer. Die Stadt erwarb das
Grundstück und ließ die eigentlich denkmalgeschützten Firmengebäude - mit Ausnahme der ehemaligen Ver-
waltung in der Schaarstraße, der "Villa Regia" - 2008 abreißen. Die Bewohner verfolgten den monatelangen
Abbruch mit Erleichterung, aber auch mit Wehmut - ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte wurde für      
immer zugeschlagen.

Hängepartie & "Bürger-Buddeln"

Was dann kam, kann mit "Gut Ding will Weile haben" umschrieben werden, was ja von Verantwortungsgefühl  
und Weisheit zeugt - doch der Spruch hängt einem inzwischen zu den Ohren heraus, und er war auch anfangs
keineswegs Maxime des Handelns. Denn ursprünglich sollte es mit einer Bebauung der Brache ganz schnell gehen:
Schon als die archäologischen Ausgrabungen begannen, im Sommer 2008, fahndete die Stadt nach einem Investor,
stand auf der Wunschliste der Verwaltung ein Wellnesshotel ganz oben. Dass damals das Grundstück nicht ver-
kauft wurde, lag nur daran, dass kein geeigneter Kandidat aufkreuzte. Über Jahre hinweg geschah nichts - bis auf
die Aktivitäten der Archäologen, die sich wie im Paradies fühlen mussten: Sie hatten endlich einmal endlos Zeit   
zu buddeln und luden sogar interessierte Bürger ein, es ihnen - ehrenamtlich, versteht sich - gleichzutun.

Ja, macht nur einen Plan!

Schließlich schlug ein von der Stadt beauftragtes Koblenzer Architekturbüro eine Dreiteilung des Geländes vor:  
Im Süden, entlang der Hochstraße, sollte eine Straßenrandbebauung mit Wohnhäusern entstehen, in der Mitte ein
archäologischer Garten, der die römischen und mittelalterlichen Ausgrabungsfunde zeigt, und im Norden, zum
Rhein hin, ein Hotel - oder ebenfalls Wohnungen, falls das Hotel nicht zustandekommt. Das Konzept fand die
Zustimmung des Stadtrats und floss in den geänderten Bebauungssplan für das Gebiet ein.