Zu hoch gepokert: Rückblick auf eine Mälzerei
"Mit Andernacher Malz verlierst du nie deinen Lappen!" Diese Werbung kritisierte der Deutsche Brauerbund
Die Friedrich Weissheimer KG produzierte Malz für die wichtigsten deutschen Biere und für namhafte Bier- und     
Whiskymarken im Ausland. 2006 jedoch musste das Familienunternehmen seine geschäftlichen Aktivitäten in der
siebten Generation einstellen. Damit ging eine 142-jährige Erfolgsgeschichte abrupt zu Ende. Der seit Jahrzehnten
abnehmende Bierdurst der Deutschen dürfte daran nicht ganz unschuldig gewesen sein.
Auf dem Zenit

Nach 1945 stieg Weissheimer zur größten Mälzerei Deutschlands auf. Im ganzen Land wurden Produktions-
betriebe aufgebaut. Zusammen mit den Landwirten prüfte man neue Sorten von Braugerste, ermittelte, welche
Gerste an welchem Standort am besten gedeiht. Man forschte im Bereich moderner Biotechnologie, stand in
engem Kontakt zu brautechnischen Hochschulen. Weissheimer ließ eine selbst entwickelte Waschtrommel      
zur Reinigung der Gerste patentieren.
Nach der Wiedervereinigung ging´s bergab

Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands und Europas stellten sich Probleme ein. Die neue Situation       
verleitete Weissheimer zu einer ungebremsten Expansion in Osteuropa. 2006 geriet die Mälzerei in Zahlungs-
schwierigkeiten und musste zweimal Insolvenz anmelden. Gründe waren, so der Insolvenzverwalter, die starke
Expansion des Hauses im Osten und ein Einbruch des Malzpreises. Dadurch verlor das Unternehmen offenbar
seinen Kredit bei den Banken. Es musste sich den Bedingungen eines Investors, der russischen Avangard-Gruppe,
beugen. Um seine Schulden zu tilgen, trennte sich Weissheimer von seinen Produktionsstätten und Tochter-
firmen. Die Betriebe in Koblenz, Bremen, Gelsenkirchen und Großaitingen gingen an die AvangardMalz AG.
Durch diesen Erwerb rückte der russische Investor zu den zehn größten Malzherstellern in Europa auf. Die
meisten der 130 Arbeitsplätze des Traditionsunternehmens konnten durch die Transaktion gerettet werden.
Die Töchter überlebten

Nicht so rosig sah dagegen die Zukunft der Mitarbeiter des aufgelösten Stammwerks in Andernach aus. Sie wur-
den 2006 arbeitslos; der neue Betrieb in Koblenz, der vielleicht einen Teil von ihnen hätte übernehmen können,
wurde erst im Herbst 2008 von Avangard fertiggestellt. Von der Insolvenz nicht betroffen waren die Tochter-
firmen Maltamore (Spezialmalze für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie), Maltagen (grüne Biotechnologie)
und Maltaflor (Dünger auf Basis von Malzkeimen).
Stadt entwickelte Luxuswohnungen

Teile des ehemaligen Stammhauses von Weissheimer wurden von der Stadt zum Wohnpark "Villa Regia" um-
gewandelt. Hinter den denkmalgeschützten Fassaden entstanden hochwertige Eigentumswohnungen mit Auf-
zügen und exquisiten Bädern, Fußbodenheizung und bis zu fünf Meter hohen Decken. Das Ganze verkaufte sich
fix, wohl auch, weil der Verkauf provisionsfrei war und der Makler mit einem Blick "auf den Rhein und die Wein-
berge von Leutesdorf" warb. Historisch informierte Käufer konnten sich zudem an dem Gedanken berauschen,
dass an diesem Ort einst ein Hotel stand, in dem ein russischer Zar und der "Goethe der Franzosen", Victor 
Hugo, abgestiegen waren. Oder dass hier noch viel früher die Franken in einem ehemals römischen Gebäude-
komplex eine Königspfalz eingerichtet hatten. Der hochtrabende Name des Wohnparks ist also historisch
gerechtfertigt.*
*) Dass Andernach Standort eines merowingischen Königshofes war - auch wenn die Lage der Pfalz nicht mehr
nachweisbar ist -, geht aus dem Gedicht Die Moselfahrt von Venantius Fortunatus hervor. Darin beschreibt der
Dichter und Gelehrte die Reise, die er im Gefolge des jugendlichen Königs Childebert II. im Jahr 588 von Metz aus
unternahm. Der spätere Bischof von Poitiers preist Andernach als "prächtigen Ort", überragt von den Zinnen der
ehemals römischen Festung, gesegnet mit Rebland, fruchtbaren Feldern und dem Fischreichtum des Rheins. (Ähnlich
entzückt sollte mehr als zwölfhundert Jahre später der Romantiker Victor Hugo auf die Stadt reagieren.)  
© 2009-2024 Wolfgang Broemser
"Wer Freundschaft mag und
Einigkeit, der trinkt auch mal 'ne
Kleinigkeit. Doch würzt kein Malz
vom Rhein das Nass, so macht  
das Trinken keinen Spaß!"
Mit diesem Trinkspruch wurde
"Deutschlands bestgekleideter
Biertrinker" (Gala) bundesweit
bekannt.
"Das waren noch Ärzte... die
wussten noch, was gesund ist...
Kinderbier gehört ins Klo, hiks!"
Angeschickerter Kunde in                      
einer Altstadtkneipe 
Einst die wichtigste Industriesparte

Der Pfälzer Friedrich Weissheimer hatte die Firma 1864 als erste Malzfabrik Andernachs gegründet. Er wollte   
die vielen Brauereien im benachbarten Niedermendig beliefern, die ihr Bier in den kühlen Lavakellern der  
Vulkaneifel lagerten. Ein Jahr später folgte Mengelbier, dann weitere Betriebe. Ende des 19. Jahrhunderts war die
Malzindustrie die wichtigste Industriesparte der Stadt. Nach der Erfindung der künstlichen Kälteerzeugung zogen
aber fast alle Brauereien wieder aus der Vordereifel ab. Nur vier der Andernacher Malzfabriken überlebten,
darunter auch Weissheimer. Sie verstanden es am besten, die günstige Lage am Rhein zu nutzen. Diese ermög-
lichte die kostengünstige Anlieferung von Gerste auf dem Wasserweg und die Verschiffung des Malzes an die
Abnehmer. Die Geschäftsführer von Weissheimer hielten das Unternehmen auch in der Zeit zwischen den Welt-
kriegen auf Kurs. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich in der Fabrik der größte öffentliche Luftschutz-
raum der Stadt. Malzfabriken waren nicht kriegsentscheidend, daher blieb Andernach von schweren Bombar-
dements verschont.
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"Bis auf die Biertrinker ist das
Land sehr romantisch..." Victor
Hugo bei seinem Besuch am
Rhein